Westfalenspiegel 05-2015
Letztens in Brilon: Zum Konzert des Ensembles »Avram« sind der katholische Propst, ein evangelischer Pfarrer und der Imam der muslimischen Gemeinde gekommen. Eine schöne Geste, aber nicht genug für die Sängerin Schirin Partowi. »Wir wollen, dass sich die Angehörigen der Religionen auch im Vorfeld begegnen und ihre Gemeinsamkeiten erkennen.« Aber natürlich freut sie sich über jeden Schritt dahin. In Brilon ist die persisch-sauerländische Altistin aufgewachsen. Wenn sie heute zurückkommt, freut sie sich, dass mitten in der Innenstadt die Kuppel einer Moschee zu sehen ist. Das Sauerland ist viel weltoffener, als Leute von außerhalb oft denken. Ihr Vater, der sie sehr geprägt hat, ist Arzt und Zarathustrier, Anhänger der Lehren Zarathustras, der weit vor Jesus Christus gelebt hat. Als Schirin Partowi einige Lieder zum Soundtrack des Films »Der Medicus« beisteuerte, musste sie oft an ihren Vater denken. Denn der von Ben Kingsley verkörperte weise Heiler Ibn Sina erinnerte sie an ihn.
Die Songs hat Schirin Partowi damals selbst arrangiert, in alten Quellen geforscht, eigene Klangfantasien entwickelt. Das hat neue kreative Energien freigesetzt. Als wir uns in der Hagener Eisdiele »Öse« treffen, erzählt sie von einigen neuen Kompositionen für ihre Band Avram. Diese Formation wurde mit Fördergeldern der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 in Essen gegründet. Rhani Krija, der Percussionist von Sting, und der Gitarrist Markus Wienstroer, der mit Joe Cocker und Westernhagen gespielt hat, sind dabei. Alle sind erfahrene und neugierige Musiker, die über ihren eigenen Horizont hinausblicken wollen.
Schirin Partowi ist klassisch ausgebildet und Barockspezialistin. Sie hat mit einigen bedeutenden Dirigenten wie Frieder Bernius zusammengearbeitet und singt regelmäßig Kirchenkonzerte, immer wieder auch im Sauerland. Beim ersten Treffen mit Avram hielt sie erst einmal einen Vortrag über die historische Aufführungspraxis von Barockarien. Und stellte fest, dass die anderen ausprobieren wollten, wie das klingt. »Wenn wir heute Händel spielen, sind es gerade die Jazzer, die völlig andächtig sind und gar nichts an den Noten ändern wollen«, erzählt Schirin Partowi. Gleichzeitig wird sie selbst immer experimentierfreudiger, was die anderen Songs angeht. »Wir werden immer freier«, sagt sie, und die Augen funkeln dabei.
Freiheit ist das Ziel, und die Religion ist der Weg dorthin. Keine bestimmte Glaubensrichtung, aber die Möglichkeit steckt in jeder. »Letztens habe ich in Berlin bei einer ›Nacht der Religionen‹ gesungen. Das war eine Performance mit einer indischen Tempeltänzerin, einer jüdischen Kantorin aus Paris und anderen.« Solche Begegnungen liebt Schirin Partowi, und eben das strebt sie auch mit den Konzerten von Avram an. Nicht nur die Musik steht im Vordergrund, sondern ein gemeinsames Erlebnis.
Stefan Keim
» | PRESSE