Hildegard von Bingen
Von der Tiefe
bis hoch
zu den Sternen
überflutet die Liebe
das All.
Sie ist liebend
zugetan allem,
da dem König,
dem Höchsten,
sie den
Friedenskuss gab.
Djelaleddin Rumi in einer Übersetzung von Friedrich Rückert
Siehe, ich starb als Stein und stand als Pflanze auf.
Starb als Pflanz‘ und nahm dann als Tier den Lauf,
Starb als Tier und ward ein Mensch. Was fürcht‘ ich dann,
Da durch Sterben ich nicht minder werden kann?
Und wenn ich werd‘ als Mensch gestorben sein,
Wird ein Engelsflügel mir erworben sein,
Und als Engel muss ich sein geopfert auch,
Werden, was ich nicht begreif, ein Gotteshauch.
Simone Weil
Nun öffnet uns das Tor! Wir wollen Gärten sehen,
Kühles Wasser trinken, das der Mond beschien.
Fremd sind wir. Die heiße Straße ist uns feind.
Ziellos irren wir und finden nirgends Ruh.
Blumen wollen wir sehen und nie mehr durstig sein.
Hoffend, wartend, leidend stehen wir vor dem Tor.
Schläge werden es zertrümmern nötigenfalls,
Druck und Stöße auch. Doch ach! Es ist zu stark.
Warten, schmachten, auf es blicken ist umsonst.
Fest verschlossen bleibt, was wir hier vor uns sehen.
Starren Blicks und unter Qualen weinen wir.
Immer sehen wir es. Die Zeit wird uns zur Last.
Vor uns dieses Tor! Das Wollen hilft uns nicht.
Besser ist es, ohne Hoffnung wegzugehen.
Niemals kommen wir hinein. Wir sind es leid.
Da!
Das Tor ist offen! Schweigen strömt heraus.
Keine Gärten, keine Blumen zeigen sich.
Nur der weite Raum, die Leere und das Licht, -
Das ist gegenwärtig und erfüllt das Herz,
Wäscht die Augen, die der Staub fast blind gemacht.
Djelaleddin Rumi
Was ist zu tun, o Moslems?
Denn ich erkenne mich selber nicht.
Ich bin nicht Christ, nicht Jude, nicht Parse, nicht Muselmann.
Ich bin nicht vom Osten, nicht vom Westen, nicht vom Land, nicht von der See.
Mein Ort ist das Ortlose, meine Spur ist das Spurlose;
Es ist weder Leib noch Seele,
denn ich gehöre der Seele des Geliebten.
I am not from the east and I'm not from the west
I don't hail from the land or the sea
And not fire, not water, not earth and not air
Can claim part in the making of me.
I am no son of Adam, no daughter of Eve,
Have no tale of lost Eden to tell
I am neither of this world,
nor of the next,
Not of anyone's heaven or hell.
My place is the placeless, my trace is the traceless,
Not tied to a body or soul.
I'm no Muslim, no Christian, no Parsi, no Jew,
I'm of all the religions and none,
I have followed no path and I'm bound to no creed
For I know that the many are one.
For I belong to my loved one's soul,
The place where I find my ownself
I only exist in the essence of love;
In the breath that makes humankind whole.
Johannes vom Kreuz ( Juan de la Cruz )
Ich ward entrückt, doch wusst’ ich nicht wohin;
und weilte ohne Wissen und Gedanken
hoch über alles Wissens Schranken.
Ich wusst’ nicht, wo ich hingekommen,
denn kaum, dass ich mich dort befand,
hab’ hohe Dinge ich vernommen,
noch eh’ ich, wo ich war, erkannt.
Ich sage nicht, was ich empfand,
ich weilte ohne Wissen und Gedanken
hoch über alles Wissens Schranken.
Und so gewaltig ist dies Wissen,
das heimlich im Nichtwissen liegt,
wie sehr er sich des Streits beflissen,
hat noch kein Weiser es besiegt.
Weil sein Verstand sich drein nicht fügt,
zu wissen ohne Wissen und Gedanken,
hoch über alles Wissens Schranken.
Doch, was es sei, will ich verkünden,
wenn ihr zu hören willig seid.
Es ist ein himmelhoch’ Empfinden
von Gottes eig’ner Wesenheit.
Nur seine Güte uns verleiht,
zu weilen ohne Wissen und Gedanken
hoch über alles Wissens Schranken.
aus dem Schir ha Schirim – Lied der Lieder - Hoheslied Salomos, Altes Testament
Siehe, du bist schön, meine Freundin,
Siehe, deine Augen sind wie Tauben.
Siehe, du bist schön, mein Geliebter und lieblich,
unser Lager ist saftig grün.
Ich bin eine Narzisse in Scharon,
Eine Lilie in den Tälern.
Wie eine Lilie zwischen Dornen,
so ist meine Freundin zwischen den Mädchen.
Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes,
So ist mein Geliebter unter den jungen Männern.
Unter seinem Schatten zu sitzen begehre ich
Und seine Frucht ist süß meinem Gaumen.
Teresa von Ávila ( Santa Teresa di Jesús )
O Seele, suche dich in Mir,
Und Mich such' nirgends als in dir!
Die Liebe hat so wunderbar
O Seel' in mir dich abgebildet,
Dass selbst der beste Maler nicht
Ein solches Bild mit so viel Kunst
Zu schaffen je im Stande wäre.
Durch Liebe wurdest du geschaffen
Voll Huld und Schönheit, und so bist
In meinem Herzen du gemalt;
Verlierst du dich, du vielgeliebte
Seele, so suche dich in Mir!
Ich weiß, dass du dich finden wirst
In meinem Herzen abgebildet,
So nach dem Leben treu getroffen,
Dass dich der Anblick hoch erfreut,
Wenn du so schön gemalt dich findest.
Und solltest du vielleicht nicht wissen,
Wo mich du etwa finden kannst,
So laufe nicht lang hin und her;
Nein, wenn du mich zu finden trachtest,
So such' Mich nirgends, als in dir.
Denn du bist selbst ein Brautgemach,
Du bist mein Haus und meine Kammer;
Drum ruf' ich laut zu jeder Zeit,
Wenn ich in deinem Sinn und Geiste
Die Pforte mir verschlossen finde.
Du brauchst nicht draußen mich zu suchen,
Denn mich zu finden allezeit,
Bedarf es nichts, als mich zu rufen,
Und eilig werd' ich zu dir kommen;
D'rum such' Mich nirgends, als in dir.
Abraham ibn Esra, Toledo Andalusien 1092 – 1167
Weil ich den Sabbat achte, wird Gott mich achten.
Er ist ein ewiges Zeichen zwischen Ihm und mir!
Es dürfen keine alltäglichen Arbeiten verrichtet
und nur notwendige Dinge besprochen werden -
weder geschäftliche, noch politische Themen.
Ich studiere die Thora und Gott schenkt mir Weisheit.
Weil ich den Sabbat achte, wird Gott mich achten.
Er ist ein ewiges Zeichen zwischen Ihm und mir!
Am Sabbat finde ich zu mir und ich begegne meiner Seele.
Siehe, seit der ersten Generation ist der Sabbat geheiligt
durch die wundersame Reichung der zwei Sabbatbrote am Freitag,
wodurch er an jedem Freitag meinen Anteil verdoppelt.
Weil ich den Sabbat achte, wird Gott mich achten.
Er ist ein ewiges Zeichen zwischen Ihm und mir!
Es ist ein Tag der Ehre, es ist ein Tag der Freude.
Gutes Brot und guter Wein, Fleisch und Fisch!
Klagegesänge verstummen am Sabbat,
denn es ist ein Tag der Freude, der mich beglückt.
Weil ich den Sabbat achte, wird Gott mich achten.
Er ist ein ewiges Zeichen zwischen Ihm und mir!