ALL IN ONE ist eine Folge von Liedern und Instrumentalstücken, die sich geographisch von Westeuropa über den Balkan bis in den vorderen Orient bewegen und einen zeitlichen Bogen vom Mittelalter bis zur Gegenwart spannen. Es geht immer um die zentrale Frage nach dem Sinn des Lebens, nach einer höheren Ebene, nach Gott, letztendlich um Liebe. In über zehn Sprachen erklingen Lieder, in denen die atheistische französische Philosophin Simone Weil ebenso zu Wort kommt, wie die leidenschaftlichen Gottessucher Rumi, Hildegard von Bingen und Abraham ibn Esra.
Gute Musik ist immer auch eine Art soziales Spiel. Aufeinander zugehen, zuhören, in´ s Gespräch kommen, Austausch, Verstehen… Durch die gekonnte Spiel- und Experimentierfreude des Ensembles sind in dieser CD so ungewöhnliche, wie phantasievolle Zusammenklänge alter und ganz neuer Musik entstanden. Aus östlichen und westlichen Fremdheiten entstehen neue gemeinsame Wege und Perspektiven.
Salomo wird das Hohelied der Liebe zugeschrieben, ein überraschend sinnliches Liebesgedicht, welches das leidenschaftliche Suchen und Sehnen zweier Liebender beschreibt. Als großes mystisches Lied der Gottessuche, die auf Erden keinen entsprechenderen Ausdruck finden kann, als in der ekstatischen Verbindung eines Liebespaares, hat das` Lied der Lieder´ seinen Platz im Alten Testament gefunden. Unser Lied `Hinach Yafa´ ist ein Auszug daraus. Als Geste einer Annäherung lassen wir diesen Dialog der Liebenden zum ersten Mal in hebräischer und arabischer Sprache stattfinden!
Obwohl im Alten Testament die Begegnung der sagenumwobenen arabischen Königin von Saba mit Salomo, dem König Israels, nur kurz erwähnt wurde, wird darüber dennoch in unzähligen jüdischen, christlichen und islamischen Legenden und Erzählungen berichtet. Bereits seit Jahrtausenden findet dieser überaus respektvolle interkulturelle und interreligiöse Austausch der Könige vielfältigsten Ausdruck in Kunst und Literatur der Völker. So lässt der Barockkomponist Georg Friedrich Händel in seiner Arie `Will the sun forget to streak‘ die hochgebildete jemenitische Königin bei ihrer Abreise von Salomos Hof nicht ohne Wehmut die Größe, die Weisheit und sogar die fremde Religion Salomos preisen.
Die mystische Liebe zu Gott, die so persönlich, wie erfüllend ist, dass sie mit der Hingabe der Partnerliebe verglichen wird, ließ die Gottessucher aller Religionen und Zeiten ähnliche Wege beschreiten. Wege der Einsamkeit und Sehnsucht nach der Nähe des Geliebten, die durch Scheitern und Versagen in das Erleben einer absoluten Leere einmündeten, um irgendwann einmal, weit jenseits des Beschreibbaren in die Unio Mystica, den Zustand des Einsseins mit Gott, die Erleuchtung zu führen.
Alle großen Mystiker – angefangen bei Hildegard im mittelalterlichen Bingen, über Rumi im Persien der gleichen Epoche, die Spanier Teresa von Àvila und Johannes vom Kreuz in der Renaissance und die Philosophin Simone Weil im 20. Jahrhundert – gingen diesen beschwerlichen Weg der Suche, um am Ende ein Stück der großen Erfüllung zu finden.
Diese Wege werden in den Liedern beschrieben und das Ergebnis jener Gottesnähe fasst Rumi wie folgt zusammen: Liebe, nur Liebe – wir haben sonst kein Werk!
An das Leben hingegebene Liebe ist der Urzweck jeder Religion – der ganz freien Spiritualität, wie auch der an Dogmen und Überlieferung gebundenen Konfessionen, die ihren Mitgliedern durch Tradition und festen Ritus Zusammenhalt und Orientierung geben.
Bei den Liedern `Kraj kabe sam´ und `Ki eshmera Shabbat´ werden die Wege zu Gott im Befolgen der Sabbatbräuche und in den Stationen der Pilgerfahrt nach Mekka beschrieben.
Zusammenfassen lässt sich das Zeitgemäße der Botschaft AVRAMS in den uralten, freien Worten Rumis aus unserem Stück `Essence of Love´.
... ich bin nicht vom Osten, nicht vom Westen, nicht vom Land, nicht von der See… ich bin nicht Moslem, nicht Christ, nicht Parse nicht Jude, ich bin von allen Religionen und von keiner… Mein Ort ist das Ortlose, meine Spur ist das Spurlose, es ist weder Leib noch Seele, denn ich gehöre der Seele des Geliebten! Hier finde ich mein Selbst. Ich existiere in der Essenz der Liebe. Sie ist der Atem, der die Menschheit heilt.
Schirin Partowi